Zum Haushalt 2022 (es gilt das gesprochene Wort)
Zunächst gilt auch unser Dank dem Referat Finanzen, das unter personell schwierigen Umständen einen gut lesbaren Haushalt hervorgebracht hat. Unser Dank gilt sämtlichen Mitarbeiter:innen der Verwaltung für das Engagement, mit dem sie allen Widrigkeiten durch Corona zum Trotz den Tanker „Stadt Memmingen“ um manche Klippe herumgeschifft haben.
Wir sind glücklich, dass das Sanierungsprogramm für unsere Schulen ein wenig in Fahrt kommt und wir uns der Edith-Stein-Schule und der Reichshain-Turnhalle annehmen. Weitere Schulen müssen folgen, diverse Rektor:innen scharren schon mit den Hufen.
Mit Wünschen wurde in der Vergangenheit seitens unseres Oberbürgermeisters aber auch durch Teile unseres Stadtrats großzügig umgegangen. Doch wer großzügig ist braucht auch Geld. Unsere Fraktion mahnt bereits seit zwei Jahren mehr Sparsamkeit an, stimmte im ein oder anderen Fall auch gegen Ausgaben und forderte langfristige Finanzpläne vor Beschluss von Maßnahmen. Immer wieder aber wurden vom Stadtrat Beschlüsse ohne große Berücksichtigung des Haushalts gefasst. Auch in Personalangelegenheiten herrschte eine gewisse Großzügigkeit und unsere Mahnungen im nicht öffentlich tagenden Personalausschuss verhallten leider meist ungehört.
Im Dezember kam die unangenehme Rechnung für unser Wirken der Vergangenheit. Unser Haushalt war in erster Lesung nicht gedeckt, so dass klar war, dass wir einsparen müssen. Wir baten um Einbeziehung von uns Stadträt:innen. Leider wurden wir nicht beteiligt und es kam auch zu keinen nennenswerten Einsparungen.
Stattdessen erfolgte eine mutige Höherveranschlagung der geplanten Einnahmen. Die Gewerbesteuer soll nun von 31,9 Millionen in 2020 auf 36,5 Millionen Euro in 2022 steigen. Doch woher kommt diese Zuversicht? Der Bund geht in seiner neuesten Steuerschätzung im März 2022 von deutlich sinkenden Gewinnen der gewerblichen Wirtschaft und um 10 % rückläufigen Gewinnsteuern aus. Der Krieg in der Ukraine und die Corona-Lockdowns in China hemmen Umsatz und Gewinne der Firmen. Gerade vorher hat auch unser Finanzreferent Michael Ruppert berichtet, wie sehr sich die Stimmung in der Industrie in den letzten Monaten eingetrübt hat.
Auch die Einkommensteuern sieht die Bundesregierung als rückläufig an, unser Haushalt aber von 24,6 auf 26,7 Millionen Euro ansteigend.
Unsere Energiekosten sollen im Vergleich zu 2020 nur um rund 20 % steigen. Davon träumen unsere Bürger:innen nur. Unsere eigenen Stadtwerke haben die Preise um über 200% erhöht.
Es ist schwer, ohne Detailkenntnisse einen Haushalt wirklich zu beurteilen. Mindestens aber in den drei Positionen Gewerbesteuer, Einkommensteueranteil und Energiekosten sehen wir im Vergleich mit Schätzungen der Bundesregierung und mit Energiepreisen falsche bzw. Deutlich zu optimistische Ansätze.
Mit einer gewissen Großzügigkeit könnte man noch über diese Probleme hinwegsehen und auf die Rücklagen hoffen. Doch hier schöpfen wir planmäßig schon aus den Vollen. Im Haushalt sind dieses Jahr 8,2 Millionen Entnahme aus der allgemeinen Rücklage und 3,5 Millionen aus Sonderrücklagen geplant, die Zuführung hingegen beläuft sich nur auf 69 T€. Unsere Allgemeine Rücklage schwindet auf einen Negativrekord von nur noch 7,2 Millionen Euro und soll in den Folgejahren quasi auf 0 sinken. Zusätzlich zu allem kommt dann noch eine Kreditaufnahme von 8,2 Millionen Euro, die in den Folgejahren noch steigen soll.
Trotz alledem wurden die Investitionen in die Energiewende auf genau 0 Euro gekürzt. Dies obwohl unser Oberbürgermeister zur Eröffnung der heutigen Sitzung erklärt hat, welch hohen Stellenwert der Umweltschutz im Haushalt habe. Stadtintern hat ein Schieben der Zuständigkeiten begonnen. Soll die Stadt aktiv werden oder die Stadtwerke? Aber auch die Stadtwerke haben hier genau 0 Euro eingeplant. Memmingen hat im Allgäu laut der neuesten Vergleichszahlen der EZA eine extrem hell leuchtende rote Laterne für das Schlusslicht bei regenerativen Energien und bei der Energie-Selbstversorgung. Spätestens der Ukraine-Krieg zeigt uns, dass dies wichtige Faktoren nicht nur für die Umwelt, sondern auch für die Wirtschaft sind.
In der mittelfristigen Finanzplanung greifen wir weiter in die Rücklagen, erhöhen die Kredite und erhöhen–unserer Ansicht nach unrealistisch – die Planansätze für die Einnahmen. Bei den Ausgaben sehen wir wunderbare, aber unglaubliche Einsparungen. So sinken unsere Planansätze für den Straßenbau bis 2025 kontinuierlich von knapp 3 Millionen Euro auf 30 T€/a ab. Davon können wir maximal noch ein paar Meter Radweg bauen.
Wir wollen aber den Weinmarkt umgestalten, den Steinheimern den Durchgangsverkehr nehmen und ein paar Erschließungsmaßnahmen werden in Zukunft auch noch kommen. Die Aufzählung weiterer unglaublicher Einsparungen wollen wir uns hier nun ersparen.
Wer meckert, muss auch Vorschläge bringen. Seit langem fordern wir eine Reduzierung der Ausgaben. Unser Antrag auf BHKWs vom Frühjahr 2021 hat nach Berechnungen der Stadtverwaltung ein Einsparpotential von bis zu 5 Millionen Euro, geht aber im Zuständigkeitswirrwarr zwischen Stadt und Stadtwerken unter. Unser in 2020 gestellter Antrag auf Bürger-PV-Anlagen hat ebenfalls ein Einsparpotential in Millionenhöhe, geht aber ebenso im Tagesgeschäft unter.
Für das Personal fordern wir seit langem eine Tätigkeitsanalyse. Memmingen hat bestimmt Stärken, vielleicht aber auch Schwächen, vielleicht auch Funktionen, die nicht unbedingt benötigt werden. Kaufbeuren hat exakt gleich viele Einwohner wie wir, Kempten hat über 50% mehr Einwohner als wir. Letztes Jahr hatten Kaufbeuren 40 und Kempten 63 Millionen Euro Personalkosten, wir hatten 53 Millionen. Hier scheint Optimierungspotential zu liegen. Zumindest fordern wir die Verwaltung auf, uns das Gegenteil zu belegen.
Doch auch auf der Einnahmenseite haben wir Potential.
Bei der Steuerreform 2008 reduzierte die Bundesregierung die Basis der Gewerbesteuer. Unsere Hebesätze wurden somit auf eine reduzierte Basis gestellt, was einer etwa 26%igen unserer Gewerbesteuer gleichkam. Städte und Gemeinden um uns herum erhöhten die Hebesätze, um nicht zu viel Gewerbesteuer zu verlieren. Memmingen aber verzichtete darauf und schenkt nach heutigem Ansatz allein für das Jahr 2022 rund 9 Millionen Euro den Memminger Betrieben. Seit 2008 sind dies inzwischen knapp 100 Millionen Euro, die unserer Stadtkasse daher fehlen.
Bei der Grundsteuer ist für dieses Jahr bereits dritte Erhöhung seit der letzten Gewerbesteuerhöhung geplant. Die Grundsteuer wird auf die Mieten umgelegt und belastet neben den extrem steigenden allgemeinen Kosten somit besonders sozial schwache Mieter.
Eine Gewerbesteuererhöhung zahlen nur Firmen mit Gewinnen, also leistungsfähigen Firmen. Wir haben den zweitniedrigsten Gewerbesteuerhebesatz aller bayrischen Oberzentren. Selbst unsere kleine Nachbargemeinde Berkheim hat einen höheren Hebesatz, obwohl sie weder ein Krankenhaus, noch ein Hallenbad oder weiterführende Schulen oder einen Flughafen finanzieren muss.
Dieser Haushalt fährt uns durch zu hohe Ausgaben und zu geringe Einnahmen an die Wand. Wir können notwendige Zukunftsinvestitionen nicht tätigen, die Altstadt nicht verschönern, das Verkehrsproblem in Steinheim nicht lösen und nichts zur Energiesicherheit für Bürgern, Handel und Gewerbe beitragen. Beim runden Tisch des Sports hat unser Oberbürgermeister anklingen lassen, dass aufgrund von Kostensteigerungen und der haushalterischen Anspannung sogar unser Kombibad noch in Gefahr kommen könnte.
Wir lehnen den Haushalt in der vorgelegten Form daher ab.
Prof. Dr. Dieter Buchberger, Fraktion Grüne/Linke